Theaterschiff Potsdam
VERANSTALTUNGEN | PORTRÄTS

PNN vom 12.02.2016 zu Verrückte & Verliebte

Wenn Richard über den Sarg robbt

Das Theaterschiff zeigt in „Verrückte und Verliebte“ das Schönste aus Shakespeares Stücken.

Verrückt oder verliebt – eins von beidem ist man wohl immer. Manchmal sogar beides auf einmal. Auch William Shakespeare hat das ganz richtig erkannt, in seinen Stücken wimmelt es nur so von Verrückten und Verliebten.

Das Theaterschiff hat zum 400. Todestag des vielleicht größten Dramatikers, der am 23. April 1616 gestorben ist, ein Medley verschiedener Szenen aus Shakespeares Stücken gebaut, mit eben jenem Titel: „Verrückte und Verliebte“. Der Schiffsbauch wird zum Globe Theater, dort wird es – wie damals um 1600 am Londoner Themse-Ufer, wo das erste Theater dieser volksnahen Bau- und Spielart stand – direkt vor der Nase der Zuschauer um Liebe und Verrat, Mord, Lügen, kurz: um alles Menschliche gehen. Am kommenden Freitag und Samstag sowie weitere Male im April ist das Stück zu erleben.

Es beginnt schon vor dem ersten Vorhang. Im Kneipensaal warten die Zuschauer, bis plötzlich „Romeo und Julia“ auf ein Date hineinstürmen. Passend zur ausgelassenen Stimmung der beiden Verliebten wird Schokolade im Publikum verteilt. „Wenn Sie verrückt sind, stecken Sie es dem Nachbarn in den Mund, wenn Sie verliebt sind, füttern Sie sich selbst“, heißt die Ansage. Dann geht es in den Saal, in dessen Mitte die Schauspieler, in futuristisch bis lumpig anmutenden Kostümen, ihre jeweiligen Rollen besetzen. Für Shakespeare-Neulinge gibt es vor jeder Szene eine kleine Ansprache, bei der kurz und witzig in den Stoff eingeführt wird. „Die Zähmung des Widerspenstigen“ wird zum Blind Date eines armen Kerls, der pleite ist. Die scharfe Zunge seiner Gegenspielerin ist gnadenlos. „Ich würde mich gerne mit Ihnen geistig duellieren, aber ich sehe, Sie sind unbewaffnet.“ Das sitzt schon mal. Es folgt ein spritziger Dialog, dem man gar nicht schnell genug folgen kann, um ihn richtig zu genießen.

Auch später möchte man deshalb manchmal auf die Stopp-Taste drücken, um alles aufsaugen zu können, die schnellen Wechsel und Schlagabtausche, die großartigen Monologe, mit denen Shakespeare die Charaktere so feingliedrig, so gnadenlos menschlich zeichnete.

Auch das war neu im Elisabethanischen Theater: Am Bühnenrand, Auge in Auge mit den sogenannten Groundlings, die für einen Penny Eintritt auf den billigsten Plätzen im Innenhof standen, verschwammen die Grenzen zwischen Zuschauer und den Protagonisten, die gerade in den Monologen einen schmerzhaften Blick in ihre manchmal verzweifelten, noch öfter allerdings grausamen Herzen erlaubten.

Auf dem Theaterschiff sind die Protagonisten Bianca Baalhorn, Irene Ossa Moyzes, Barbara Schaffernicht, Mario Neubert, Stefan Reschke und Bob Schäfer. Sie spielen Szenen aus „Hamlet“ und „Othello“, klar, das kennt man, aber auch aus „Troilus und Cressida“, einem Drama um den Trojanischen Krieg, in dem die Liebe der beiden zwischen die Fronten gerät. „Richard III.“ wird als das grausamste Drama des Dichters angekündigt, zu Recht, man hat es als das Stück mit den meisten Leichen auf der Bühne in Erinnerung. In der angespielten Szene buhlt Richard im Trauergottesdienst für den ermordeten König um die Hand der Königin, bäuchlings robbt er über den Sarg und macht die Alte an. Sie ist angewidert und doch im Bann des grausamen Spiels dieses Irren. „Hier, nimm dieses spitze Schwert und bring mich um“, sagt Richard. Und weiß genau, dass sie das nicht tun kann.

Liebeskrank ist Cleopatra, die ihre ganze Eifersucht an dem Boten, einem armen Würstchen, auslässt. Der muss seiner Königin nämlich die unangenehme Wahrheit verkünden, dass ihr geliebter Antonius eine Ehefrau hat. Aber er ist clever und beschreibt diese Octavia als so unansehnlich, dass Cleopatra sich beruhigt, den Boten verschont. Glück gehabt. Steffi Pyanoe