Berührend von Astrid Priebs-Tröger
Christel Leuners „Lale-Andersen-Programm“
Es hätte keinen besseren Ort für ihren Auftritt
geben können. Denn das Potsdamer Theaterschiff verknüpft das Leben von
Christel Leuner mit dem von Lale Andersen. Symbolisch versteht sich. Die
frühere Potsdamer Schauspielerin trat am Samstagabend mit ihrem
Programm „Wie einst, Lilli Marleen“ im ehemaligen Lastkahn auf und
entführte das Publikum gleich zu Anfang per Seeweg von Potsdam nach
Bremerhaven. Dorthin zog sie selbst Anfang der 1990er-Jahre ans
Stadttheater und in dieser Stadt wurde auch Lale Andersen 1905 geboren.
Christel Leuner, inzwischen 70, beschäftigt sich schon lange mit dem
Leben und Werk der ehemals weltberühmten Sängerin, deren Hit „Lilli
Marleen“ seit 1941 die Herzen von Soldaten und Zivilisten im Sturm
erobert hat. Und während genau dieses Lied fortlebt, hat man seine
Interpretin so gut wie vergessen. Mit nichts als unterschiedlichen
Kopfbedeckungen, ihrem großartigen Pianisten Christian Deichstätter und
den Liedern von Lale Andersen selbst, sowie von Bertolt Brecht, Hans
Albers und Zarah Leander entführte die Schauspielerin atmosphärisch
dicht von den 1920er- bis in die 60er-Jahre.
Dabei bringt sie zwischen den Gesangsnummern biografische Schnipsel aus
dem wechselvollen Leben der Andersen zu Gehör und entwirft pointiert
das facettenreiche Bild einer ehrgeizigen und lebenslustigen, aber auch
einsamen Künstlerin und alleinerziehenden Mutter, die ihrer Gesangs- und
Theaterleidenschaft alles andere unterordnete. Und die als emanzipierte
Frau in keine der gängigen Schubladen passte. Denn obwohl „Lilli
Marleen“ europaweit an den Fronten gespielt wurde, ließen es die
Nationalsozialisten später aufgrund seines „wehrkraftzersetzenden“
Textes verbieten. Und, das gehört zur Geschichte und zum Höhepunkt des
Programms von Christel Leuner, in der Folge summten es die Leute einfach
weiter. Auch das Potsdamer Publikum brauchte dazu keine Anleitung.
Immer wieder Seefahrer, Liebe und Herzschmerz sind Themen, die die
frühen und auch späteren Lieder von Lale Andersen – die auch „Spatz vom
Weserdeich“ genannt wird – durchziehen. Alles in allem sind sie
heutzutage ein wenig oberflächlich, wenn, ja wenn sie nicht Christel
Leuner singen würde! Denn diese reife, humorvolle und im Herzen jung
gebliebene Schauspielerin verleiht ihnen kraft ihres eigenen gelebten
Lebens und ihrer spürbaren Empathie für die Sängerin eine wunderbare
Tiefe und Allgemeingültigkeit.
Und während man auf „Lili Marleen“ bis zum Ende ihres einstündigen
Programms warten muss, nimmt sie einen mit ihrer kräftigen,
wandlungsfähigen und herzberührenden Stimme mit in dieses fremde, eigene
Leben. Wunderbar auch ihre Ausflüge in Brechts „Bilbao- und
Kanonensong“ oder die ironische Darstellung von Zarah Leander. Ihr
Lale-Andersen-Programm überzeugt jedoch nicht nur gesanglich, sondern
vermag durch die dramaturgisch geschickte Auswahl der Lieder und der
verbindenden Texte mit wenigen Strichen die Atmosphäre der Kriegs- und
Nachkriegszeit in Deutschland nachfühlbar zu zeichnen. Dabei bezieht sie
das Publikum direkt mit ein und man wünscht sich, dass man die Leuner,
die inzwischen wieder in Potsdam lebt, noch öfter auf den Brettern, die
auch ihr die Welt bedeuten, erleben darf. Astrid Priebs-Tröger
Nächste Vorstellung am Freitag, dem 12. Dezember, um 20 Uhr auf dem Theaterschiff in der Schiffbauergasse. |