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Potsdamer Neuste Nachrichten vom 14.06.2011 zu Die Reise nach Petuschki

In Fahrt

In Fahrt

von Gerold Paul

Jörg Schüttauf las auf dem Theaterschiff

Auf dem Theaterschiff hat man gut und geräumig gerechnet: Viele Stars aus Film und Theater in Potsdam – viele Stars auf dem Kahn. Am Samstagabend war der erste dran, 1961 in Karl-Marx-Stadt geboren, heute Caputh, zwischendurch Potsdam, etliche „Tatorte“ und so: Jörg Schüttauf. Nicht ohne viele, sondern mit gar keinen Fisimatenten ging es sofort zur Sache, kaum dass ein Gruß das Publikum streifte. Teil eins des Abends war einer Lesung gewidmet, im anderen wollte er auf Fragen antworten, welche das fast ausverkaufte Schiff ihm per Zettel bis zur Halbzeit schrieb.

Aber irgendwie ging das alles zu schnell. Wenigstens ein paar einleitende Worte hätte man über die Buchwahl und ihren Autor schon sagen können, damit nicht etwa jemand denkt, Jörg Schüttauf selbst hätte „Die Reise nach Petuschki“ geschrieben. Der richtige Autor hieß Wenedikt Jerofejew, neben seinen schriftstellerischen Arbeiten ein explizierter Säufer im Land, was seine ätzende Gesellschaftssatire ja auch nirgends verhehlt. Die Lesung war anfangs ein wenig fahrig, auch ziemlich lang, vor allem fragte man sich, was die versoffene Sowjetgesellschaft von 1970 wohl auf dem Theaterschiff von 2011 suchen könnte. Pech für alle, man erfuhr es nicht.

In der Pause hatten sich mehr Zettel angesammelt, als Martina König, auf dem Kahn für die neue Reihe künstlerisch zuständig, wohl zu hoffen wagte. Jörg Schüttauf, ohnehin mit viel Ironie und Witz ausgestattet und inzwischen mit fast allen Wassern gewaschen, war sofort in seinem Element, beantwortete Fragen nach Wohl und Leiden eines „Tatort“-Kommissar vor und hinter dem Set: Gute und Nulpen gab und gäbe es hüben und drüben, sagt er. Nur ärgere ihn, wenn heute jemand seine Qualitäten über die Wuschelfrisur oder eine unpassend gefärbte Gürtelschnalle definiere statt über sein berufliches Können. In der meistgesehenen Krimireihe den Chef zu spielen, empfinde er aber nicht als Ritterschlag. Trotzdem möchte er beim „Polizei spielen“ die menschliche Seite des Kriminalers hervorkramen, nicht den monotonen Fragensteller. Sogar lachen soll so einer dürfen können, auch in seiner neuen Krimi-Reihe bei RTL: „Mal sehen, ob ich durchhalte!“ Und lacht. Dieser Mann kennt seinen Rang und seinen Marktwert. Er kann sich seine Rollen aussuchen, gar zum Schein den nächsten Kommissar verweigern, denn: „Die bieten mir immer wieder solche Bücher an.“ Seine Rollen lerne er beim Laufen durch den Wald, Urlaub mache er am liebsten daheim, und was die Hobbys betrifft, so habe er eigentlich keine. Höchstens die Schauspielerei. So kam man rein zufällig auf das Theater zu sprechen, die wahre Schule eines jeden Darstellers.

Er würde gerne mal wieder, meint Jörg Schüttauf kokett, aber nicht in jeder Rolle. Und wiederholt, dass dies auch für Potsdam gelte, nur fürchte er, von all den guten Kollegen hier „an die Wand gespielt zu werden“. Warum so scheu, Herr Schüttauf, wenn „Welle“, wie er Tobias Wellemeyer, den Intendanten am Hans Otto Theater, vertraulich nennt, doch hier vor Ort eine „sehr gute“ Arbeit leistet? War es nun Talk, war es Talg? Stinkgemütlichkeit auf dem Theaterschiff. Der Promi konnte kommod durch den Abend flanieren, seine kleinen Bier-Bäuerchen inszenieren, seine Auftritte chargieren, lachen, fröhlich sein, denn: „Was habe ich nicht schon alles gemacht, ich habe sogar die Welt gerettet!“ Dann kam sein kategorisches „Schluss“, und es war dann auch Schluss! Einmal Schauspieler – immer Schauspieler. Gerold Paul


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