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Potsdamer Neuste Nachrichten vom 26.05.2011 zu Spiel´s nochmal Sam!

In tänzerischer Atmosphäre

In tänzerischer Atmosphäre

von Heidi Jäger

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Entspannt. Paula E. Paul genießt die festen Strukturen, die ihr am Theaterschiff die Arbeit zur Erholung machen. Foto: Andreas Klaer

Paula E. Paul führt erstmals Regie am Theaterschiff / Morgen ist Premiere von „Spiel’s noch mal, Sam“

Auch sie ist überrascht, dass sie jetzt auf dem Theaterschiff inszeniert: Paula E. Paul, die Tänzerin und Choreografin, die die Potsdamer vor allem von ihren Arbeiten in der „fabrik“ kennen. Doch dann kam da der Anruf von der neuen Künstlerischen Leiterin des Theaterschiffs, Martina König. Die hatte die „Tanz-Paula“ vor zwanzig Jahren gemeinsam mit Thomas Guggi als Ost-Pioniere des zeitgenössischen Tanzes am Hans Otto Theater gesehen – ein Erlebnis, das sich offensichtlich tief eingeprägt hat. Jedenfalls bat sie Paula E. Paul, die Regie zu der anrührenden Woody-Allen-Komödie „Spiel’s noch mal, Sam“ zu übernehmen. Die stand zwar schon kurz vor der Premiere, hatte aber nicht die erhoffte Zugkraft und Qualität, mit der das Theaterschiff künftig überzeugen möchte.

Paula E. Paul, gerade in zwei anderen Projekten eingebunden, schaute sich erst einmal skeptisch eine Probe an und dachte: „Na ja, okay“. Sie gab zwei, drei Impulse in die Gruppe und war überrascht, was für schöne Übersetzungen die vier Schauspieler aus dem Stegreif fanden. Für Paula E. Paul stand sofort fest: „Mit denen will ich arbeiten.“

Während der alte Kahn gemütlich auf den Wellen schaukelt und die Sonne die Augen blendet, strahlt die Tänzerin über die sich unverhofft ergebene Aufgabe: „Diese Arbeit ist wie eine kreative Pause“, sagt sie witzelnd. Zwar ist da der Zeitdruck, denn die Hobby-Darsteller können nur zweimal wöchentlich abends proben und das nach einem Acht-Stunden-Arbeitstag. Aber Paula E. Paul genießt die festen Strukturen. „Hier muss ich mich nicht um alles alleine kümmern“. Sie hat es oft satt, mehr Energie in Projektanträge zu stecken als in die eigentliche künstlerische Arbeit.

Die umtriebige Tänzerin, die sich schon in den verschiedensten Formen ausprobiert hat, betritt mit dieser Schauspiel-Regie Neuland. Es ist das erste Mal, dass sie sich an einem fertigen Textbuch „entlanghangelt“. „Für den zeitgenössischen Tanz gibt es keine Textfassungen.“ Sie bat am Anfang auch die Schauspieler vom Schiff, das Stück ohne Worte zu spielen, den Text nur mitdenkend. „Die Darsteller haben dabei nicht nur herzhaft gelacht, sondern auch gemerkt, was Körpersprache vermag.“ Denn schon die kleinste Geste kann mitunter Bände erzählen. Auf die Bühne gelangt aber sehr wohl der erzählende Woody Allen, zwar in einer rigorosen Strichfassung und mit tänzerischen Elementen, aber doch weitgehend so, wie man das Stück kennt.

Darin geht es um den von Selbstzweifeln geplagten Filmkritiker Allen, einem Typen, der nach der Trennung von seiner Frau verzweifelt versucht, an eine neue ranzukommen: „Ein zerbrechlicher, trotteliger, aber auch phantasie- und humorvoller Mann“, wie die Regisseurin sagt. Sein großes Vorbild ist Humphrey Bogart. Was würde Allen nicht alles dafür geben, könnte er mit der Leichtigkeit des Filmstars die Frauenwelt erobern. Schließlich entwickelt sich mit Allens Freund Dick und dessen Frau Linda eine Dreiecksgeschichte à la Casablanca. „Traum und Realität verschwimmen dabei ständig“, sagt Paula E. Paul, die das Ganze auf zwei Bühnen spielen lässt. „Der Ort ist supertoll, ein Rumpf, aus dem etwas wachsen kann. Vor allem viele Experimente.“ Wenn ihre Einstiegsinszenierung kein totaler Flop werden sollte, könnte sie sich durchaus vorstellen, weiter für das Schiff zu arbeiten, „dann aber am Anfang nur mit einem leeren Blatt Papier in der Hand“.

Die einstige Ballett- und Flamenco-Tänzerin wurde sehr von Pina Bausch inspiriert. Die gastierte mit ihrer Company im Theater Gera, als Paula E. Paul als Hochschul-Absolventin dort gerade ihre ersten Bühnenerfahrungen sammelte. „Nach dem Auftritt dieser großen Choreografin kratzte ich 1987 sofort die Kurve: Jetzt wusste ich, warum ich Tänzerin geworden bin.“ Obwohl es in der DDR offiziell keine Freiberufler gab, arbeitete sie frei. Und schwelgt heute in den Erinnerungen der Möglichkeiten, die sich damals in Berlin an der Seite des experimentierfreudigen Regisseurs Jo Fabian für sie ergaben. „Als wir allein auf weiter Flur waren, gestaltete sich alles einfacher. Heute ist es schwierig, auf dem großen Markt seinen Platz zu finden.“ Der zeitgenössische Tanz ist eine feste Größe und viele wollen ihn auf die Bühne bringen. Doch dafür fehlt das Geld. Die Strukturen hinken dem Bedarf hinterher. Auch Paula E. Paul muss sich mit jedem Projekt immer wieder neu erklären, obwohl sie einen Namen hat.

Mit ihren 46 Jahren fühlt sie sich aber durchaus jung genug, ihre Projekte immer wieder ganz naiv anzugehen. Sie steht noch gern selbst auf der Bühne, auch wenn es mühsamer wird, sich selbst zu inszenieren. „Es wäre albern, sich auf Spitzen zu quälen, aber es gibt neue Möglichkeiten.“

Künftig möchte sie dennoch mehr von außen arbeiten. So wie an der Universität in ihrer Heimatstadt Leipzig, an der sie einen Lehrauftrag hat, oder eben jetzt am Theaterschiff in der Stadt Potsdam, wo sie seit der Geburt ihres Sohnes vor 18 Jahren lebt.

Sie möchte aus den Schauspielern im Schiff keineswegs Tänzer machen. „Ich schaue genau, was sie überfordert und was nicht.“ Sie baut vor allem auf einen tänzerischen Rhythmus. „Bei mir wird schon eine Geste, die gesetzt ist, als Tanz behauptet. Mein Verständnis von Tanz geht über die normale Choreografie hinaus.“ So hat sie in ihrem „Kombinat“, das sie mit ihrem Partner Sirko Knüpfer 2009 gründete, um Tanz und Film zu kombinieren, einen Kurzfilm im Altersheim gedreht. „80 bis 90-Jährige saßen am Cafétisch und tanzten nur mit ihren Händen. Eine wunderschöne Arbeit.“

Sie arbeitet gern mit Laien und weiß, wie es sich innen anfühlt, auf der Bühne zu stehen. Mit diesem Wissen setzt sie nun von außen behutsam ihre Impulse. Und genießt nicht nur das schöne Wetter an Deck, sondern auch das entspannte Klima im Rumpf des sich neu ausrichtenden Schiffes.

Premiere ist am morgigen Freitag um 20 Uhr auf dem Theaterschiff


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