Das Theaterschiff zeigt in „Verrückte und Verliebte“ das Schönste aus Shakespeares Stücken.
Verrückt oder verliebt – eins von beidem ist man
wohl immer. Manchmal sogar beides auf einmal. Auch William Shakespeare
hat das ganz richtig erkannt, in seinen Stücken wimmelt es nur so von
Verrückten und Verliebten.
Das Theaterschiff hat zum 400. Todestag des vielleicht größten
Dramatikers, der am 23. April 1616 gestorben ist, ein Medley
verschiedener Szenen aus Shakespeares Stücken gebaut, mit eben jenem
Titel: „Verrückte und Verliebte“. Der Schiffsbauch wird zum Globe
Theater, dort wird es – wie damals um 1600 am Londoner Themse-Ufer, wo
das erste Theater dieser volksnahen Bau- und Spielart stand – direkt vor
der Nase der Zuschauer um Liebe und Verrat, Mord, Lügen, kurz: um alles
Menschliche gehen. Am kommenden Freitag und Samstag sowie weitere Male
im April ist das Stück zu erleben.
Es beginnt schon vor dem ersten Vorhang. Im Kneipensaal warten die
Zuschauer, bis plötzlich „Romeo und Julia“ auf ein Date hineinstürmen.
Passend zur ausgelassenen Stimmung der beiden Verliebten wird Schokolade
im Publikum verteilt. „Wenn Sie verrückt sind, stecken Sie es dem
Nachbarn in den Mund, wenn Sie verliebt sind, füttern Sie sich selbst“,
heißt die Ansage. Dann geht es in den Saal, in dessen Mitte die
Schauspieler, in futuristisch bis lumpig anmutenden Kostümen, ihre
jeweiligen Rollen besetzen. Für Shakespeare-Neulinge gibt es vor jeder
Szene eine kleine Ansprache, bei der kurz und witzig in den Stoff
eingeführt wird. „Die Zähmung des Widerspenstigen“ wird zum Blind Date
eines armen Kerls, der pleite ist. Die scharfe Zunge seiner
Gegenspielerin ist gnadenlos. „Ich würde mich gerne mit Ihnen geistig
duellieren, aber ich sehe, Sie sind unbewaffnet.“ Das sitzt schon mal.
Es folgt ein spritziger Dialog, dem man gar nicht schnell genug folgen
kann, um ihn richtig zu genießen.
Auch später möchte man deshalb manchmal auf die Stopp-Taste drücken,
um alles aufsaugen zu können, die schnellen Wechsel und Schlagabtausche,
die großartigen Monologe, mit denen Shakespeare die Charaktere so
feingliedrig, so gnadenlos menschlich zeichnete.
Auch das war neu im Elisabethanischen Theater: Am Bühnenrand, Auge in
Auge mit den sogenannten Groundlings, die für einen Penny Eintritt auf
den billigsten Plätzen im Innenhof standen, verschwammen die Grenzen
zwischen Zuschauer und den Protagonisten, die gerade in den Monologen
einen schmerzhaften Blick in ihre manchmal verzweifelten, noch öfter
allerdings grausamen Herzen erlaubten.
Auf dem Theaterschiff sind die Protagonisten Bianca Baalhorn, Irene
Ossa Moyzes, Barbara Schaffernicht, Mario Neubert, Stefan Reschke und
Bob Schäfer. Sie spielen Szenen aus „Hamlet“ und „Othello“, klar, das
kennt man, aber auch aus „Troilus und Cressida“, einem Drama um den
Trojanischen Krieg, in dem die Liebe der beiden zwischen die Fronten
gerät. „Richard III.“ wird als das grausamste Drama des Dichters
angekündigt, zu Recht, man hat es als das Stück mit den meisten Leichen
auf der Bühne in Erinnerung. In der angespielten Szene buhlt Richard im
Trauergottesdienst für den ermordeten König um die Hand der Königin,
bäuchlings robbt er über den Sarg und macht die Alte an. Sie ist
angewidert und doch im Bann des grausamen Spiels dieses Irren. „Hier,
nimm dieses spitze Schwert und bring mich um“, sagt Richard. Und weiß
genau, dass sie das nicht tun kann.
Liebeskrank ist Cleopatra, die ihre ganze Eifersucht an dem Boten,
einem armen Würstchen, auslässt. Der muss seiner Königin nämlich die
unangenehme Wahrheit verkünden, dass ihr geliebter Antonius eine Ehefrau
hat. Aber er ist clever und beschreibt diese Octavia als so
unansehnlich, dass Cleopatra sich beruhigt, den Boten verschont. Glück
gehabt. Steffi Pyanoe |