Liebe und Einsamkeit von Daniel Flügel
Überraschung.
Die anfängliche Komödie wechselt unauffällig die Gangart und endet mit
bitteren, traurigen Untertönen. Foto: Theaterschiff
Gelungene Premiere von „Knocking on angels door“ auf dem Theaterschiff
Fast glaubt man zu wissen, was einen erwartet in
einem Bühnenstück, in dem drei einsamen Männern plötzlich drei weibliche
Engel erscheinen. Sei es ein humoriges Spektakel, das um den ewigen
Wunsch nach Liebe und Zweisamkeit kreist, wo zwischen allerlei Wortwitz
und Situationskomik hier ein bisschen gelitten, da ein wenig gejammert
wird und sich am Ende alle vereint in den Armen liegen, während die
Gäste applaudieren und sich noch die Lachtränen aus den Augen wischen.
Also harmlos heiter könnte es auf dem Theaterschiff hergehen, wüsste
man nicht, dass hier im stets mit Bravour gespielten lustigen Treiben
oft auch ernsthafte und tragische Komponenten verpackt sind. Wie auch am
Freitagabend wieder, als sich das Publikum nach der erwartungsgemäß
ausverkauften Premiere von „Knocking on angels door“ in die schöne Lage
versetzt sieht, der leichten und zugleich auch der anspruchsvollen
Unterhaltung seinen Beifall zu spenden. In dieser neuen Eigenproduktion,
die die Regisseurin Martina König gemeinsam mit dem Bordensemble
erarbeitet hat, wird das Publikum gewissermaßen aufs Glatteis geführt.
Was eben noch als sprühende Komödie funktioniert, wechselt beinahe
unauffällig die Gangart und endet dann jäh mit bitteren, traurigen
Untertönen.
Dabei gibt es anfangs viel Frohsinn und Gelächter, als man die drei
sich so nach einer Partnerschaft sehnenden Freunde auf der fast leeren
Bühne wie für ein Bandfoto posieren sieht. Dann heulen sie los wie
einsame Wölfe, singen ein Cowboylied, gehen wie stolze Gockel umher und
überbieten sich gegenseitig mit geradezu aberwitzigen
Männlichkeitsritualen. Dass es ihnen so noch nicht gelungen ist, eine
Frau zu erobern, verstehen sie nicht. Immerhin, der bubenhaft wirkende
Lange (perfekt: Bob Schäfer) hat seine Hoffnung noch nicht verloren,
doch nimmt er schon Reißaus, wenn ihm eine „Zauberfrau“ auf seine
Kontaktanzeige hin erste unbequeme Fragen stellt.
Fast resigniert hat hingegen der Kurze, jener von Mario Neubert
herrlich verkörperte Macho, der sich darüber beklagt, wie frustrierend
es doch sei, in der Disko den Frauen beim Tanzen zuzuschauen und sofort
als Suchender erkannt zu werden. Mit diesem Thema scheinbar längst
abgeschlossen hat indes der Dicke (grandios: Mathias Iffert), ein
Kerlchen, das in giftgrüner Hose und cremefarbenem Hemd wie ein Häufchen
Elend auf seinem Stuhl hockt und sich sagt, dass es wohl am besten sei,
wenn man nicht mit einer Frau zusammenlebt, die man am meisten liebt,
sondern die einen am wenigsten anwidert.
In ihrer geknickten Männlichkeit verfallen diese drei Tröpfe
schließlich auf die Idee, zur Klampfe und mit Guns N’ Roses „Knocking on
heavens door“ auf den Lippen verzweifelt den Himmel um Hilfe anzurufen.
Und dort werden sie auch erhört. In fast völlige Finsternis getaucht
sitzen drei Engelsfrauen, jede für sich, mit dem Blick zur Wand. Während
in dieser bildstarken Szene sich zumindest zwei von ihnen (Sabrina
Kaiser und Irene Ossa-Moyzes) trotz schlechter Erfahrungen nach einem
neuen Partner sehnen, werden sie von der Dritten im Bunde, der von
Barbara Schaffernicht mit Grazie gespielten, abgeklärten Engelsfrau
gewarnt. Vergeblich. Letztlich erscheinen alle drei den einsamen
Freunden auf Erden leibhaftig, im weinroten Kleid die eine, im eng
anliegenden schwarz-weißen Kostüm die andere und die erfahrene
Engelsfrau schließlich in lässiger Pose, Zigarette rauchend, im grauen
Mantel, einen Rollkoffer hinter sich her ziehend.
Wer hier nun annimmt, dass sich nach einigen Späßchen drei Paare bilden
werden, der irrt. Auch wenn es ein Weilchen noch diesen friedlichen
Anschein macht, der Dicke erschrocken auf den Anblick der Damen
reagiert, der Lange verzückt vom Barhocker fällt und der Kurze sofort
alberne Kunststücke vorführt, so wird doch rasch klar, wie wenig diese
sechs einsamen, sich äußerlich durchaus ähnelnden Figuren tatsächlich
zueinander passen. Angesichts der Posen und des aufgeregten
Kasperletheaters der Männer rollen die Frauen genervt mit den Augen.
Und als sich der Lange und der Kurze beherzt eine Tanzpartnerin wählen,
beschreibt dieser Tanz eher einen hilflosen Taumel zwischen Anziehung
und Abneigung. Denn auch die Frauen geben nun zu erkennen, wie sehr sie
unter den nicht verarbeiteten Beziehungen ihrer Vergangenheit, den
Bindungsängsten oder unter fehlender Kompromissbereitschaft leiden.
Das ausdrucksstarke, intensive und sich bisweilen fast überlagernde
Spiel der Akteure gleicht einem Billardspiel, in dem Kugeln wild
aneinanderprallen, um sich sogleich wieder zu trennen. Am Ende sorgt nur
noch der funkelnde Zynismus des Dicken für letzte Lacher, steht jeder,
sei es in rasender Wut oder erstarrter Ohnmacht, wieder für sich allein.
Ein Engel singt, unmittelbar vor dem lang anhaltenden Schlussapplaus,
mit trauriger Stimme „Stairway to heaven“.
Die nächsten Aufführungen finden am Freitag, 15.11., sowie am Samstag,
16.11., jeweils um 20 Uhr auf dem Theaterschiff statt; Eintritt 18/14
Euro. |