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Märkische Allgemeine Zeitung vom 11.10.2010 zu Fast Faust

Im Rausch bei Goethe kompakt

SCHAUSPIEL: Im Rausch bei Goethe kompakt

Premiere von Albert Franks Komödie „Fast Faust“ auf dem Theaterschiff

Darf man gerade angesichts des Niedergangs unserer einstmals hochgelobten klassischen humanistischen Bildungsideale auch das Flaggschiff dieser Hochkultur, den „Faust“ des

deutschen Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe, versenken? Ausgerechnet das so friedlich an der Alten Fahrt schunkelnde Theaterschiff hat dieses kulturpolitische Sakrileg am Freitagabend mit seiner Premiere von Albert Franks Komödie „Fast Faust“ begangen. Übrigens ist der Verfasser dieses Faust- Fastfoods gebürtiger Wiener und musste vermutlich aus dem Dunstkreis des ehrwürdigen Burgtheaters nach Berlin flüchten, wo er seither, quasi im selbst gewählten dramatischen Asyl, lebt. Weil Frank aber nicht nur Dramatiker, sondern auch Schauspieler und Regisseur ist und deshalb bereits an etlichen Bühnen, auch dem Potsdamer Hans-Otto-Theater, arbeitete, ist klar, dass er das Phänomen Theater in Gänze studieren konnte. „Fast Faust“ ist sein erfolgreichstes Stück, und die Gründe für die Begeisterung, die diese Schmonzette regelmäßig beim Publikum auslöst, liegen auf der Hand. Der ins Groteske gesteigerte Humor dieser Komödie ist nämlich nur das albern verklärte Zerrbild einer Theater-Realität, die ihr Verfasser nur allzu gut kennt.

Als Vorlage diente dem Autor tatsächlich Goethes Faust, der in seinem Stück ein so genanntes „Dramenterzett“ zu spielen gedenkt. Dabei haben sich drei wahnwitzige Schauspieler eine Strichfassung des Klassikers erstellt und wollen nun das komplette Werk mit seinen 57 Rollen darbieten.

Das eigentliche Theater beginnt, als Hannah, die einzige weibliche Darstellerin, wegen Schwangerschaft ausfällt und der mutmaßliche Verursacher dieser Katastrophe, Heiner (Mario Neubert), von seinem Kollegen André (Matthias Iffert) genötigt wird, nun auch noch Hannahs Rollen zu übernehmen.

1Von nun an läuft der von Marcus Löwer mit jugendlicher Verve inszenierte Kompakt-Faust, als säße der Zuschauer in der Literaturstunde eines Gymnasiums, in dem zwei Schüler ihre Sicht auf die einzelnen Szenen miteinander streitend vorspielen. Das erstaunlichste an dieser Situation aber war, dass beim Publikum insofern eine Identifikation mit dieser Schulsituation einsetzte, als einzelne immer wieder ihre Textkenntnisse laut kundtaten. So trieben sich vom Prolog im Himmel bis zu Gretchens tragischem Ende Publikum und Bühnenduo in einen wahren Faust-Rausch, der, obwohl fast jede Szene dieses Dramas klamottig verulkt wurde, die dramatische Genialität des Originals erkennen ließ. Es wäre interessant zu erfahren, ob sich der frenetische Beifall und die ungezügelte Heiterkeit dieses Abends auch bei einem jüngeren Publikum einstellen wird, dem der Zugang zu einer gediegenen humanistischen Grundversorgung wohl längst verbaut ist. (Von Lothar Krone)

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