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Potsdamer Neuste Nachrichten vom 08.10.2010 zu Fast Faust

Die "Gretchenfrage" heißt Hanna

Die „Gretchenfrage“ heißt Hanna

Heute hat „Fast Faust“ auf dem Theaterschiff Premiere / Der 20-jährige Marcus Löwer führt Regie (08.10.10)

Sie haben es „faustdick“ hinter den Ohren: Obwohl es schier unmöglich scheint, wollen Hanna, Heiner und André es wagen, den ganzen Faust zu dritt auf die Bühne zu stemmen. Und nun ist Hanna schwanger. Von Heiner, was Nebenbuhler André gar nicht komisch findet. Also wird Hanna kurzerhand aus dem Dramen-Terzett verbannt. Das Männerduo nimmt sich notgedrungen allein des großen Dichters an und auch seines Gretchens. Da wird einfach eine Perücke übergestülpt und fertig ist die Frau. Die Schwierigkeiten kommen aus einer anderen Ecke: Die Zwistigkeiten der schauspielernden Rivalen sind auch ohne Hanna nicht beigelegt.

Albert Franks Komödie „Fast Faust“, die heute im Theaterschiff Premiere hat, spielt auf zwei Ebenen, die sich immer wieder verzahnen. Alltagssprache und Goethes Sprachkunst stehen nebeneinander. Zudem müssen die zwei Darsteller in elf Figuren schlüpfen. Eine beachtliche Herausforderung für Schauspieler. Und auch für die Regie, zumal, wenn man wie Marcus Löwer erst 20 Jahre alt ist. „Ich war anfangs schon skeptisch, ob das klappt“, sagt der 34- jährige Schauspieler Mario Neubert, der den Heiner spielt. „Doch dann spürte ich, dass Marcus sehr wohl ein Fundament hat und zudem eine große Sensibilität und einen analytischen Blick.“

Marcus Löwer spielt Theater, seit er 14 ist. „In der Abizeit war ich kaum an der Schule, sondern mit einem Tourneetheater unterwegs.“ Das Abi schaffte er trotzdem. Und er inszenierte in einem leer stehenden Kulturhaus mit seinen Mitschülern das Stück „Elisabeth“, das es auf immerhin 25 Vorstellungen brachte – bei 300 Plätzen im Saal. „Das hat schon für einen großen Bekanntheitsgrad in einer kleinen Stadt wie Fürstenwalde gesorgt,“ sagt Markus Löwer nicht ohne Stolz. Die große Liebe zog ihn 2008 nach Potsdam. Er fing an, sich mit Theaterpädagogik zu beschäftigen und mit behinderten und Grundschulkindern zu arbeiten. „Im vergangenen Jahr wurde es theatermäßig leider ruhiger. Ich begann ein Optikerlehre, schmiss sie wieder, schrieb stattdessen Stücke und Inszenierungskonzeptionen für die Schublade.“ Überschattet wurde alles von der Krebserkrankung seiner Mutter, die er bis ihrem Tod pflegte. Inzwischen hat der junge Mann eine Ausbildung als Verkäufer begonnen und arbeitet

1im Potsdams „Herrenzimmer“, was er mit seinem Outfit durchaus modebewusst nach außen trägt. „Papi freut sich, dass der Sohn einen richtigen Abschluss macht und ich versuche, Beruf und Hobby zu verbinden.“

Den Sprung aufs Theaterschiff verdankt er einem Auftritt in der Städtischen Musikschule Potsdam, wo Markus Gesangsunterricht nimmt und eine Veranstaltung moderierte. Theaterschiff-Leiter Robert Bejeuhr sah ihn und fragte ihn, ob er nicht mal Regie führen möchte. Franks Komödie „Fast Faust“, die ideal in einen kleinen Rahmen passt, schien Marcus Löwer dazu bestens geeignet. „Wir haben uns zu dritt im Raum eingeschlossen und geguckt, wie man das Pferd am besten aufsattelt. Ich bin kein Regisseur, der von unten nach oben Regie führt.“ Doch er hatte durchaus klare Vorstellungen und die Skepsis bei den Darstellern angesichts seines Alters löste sich bald auf. „Jetzt haben wir alle tierische Augenringe, denn oft proben wir bis früh in den Morgen. Und tagsüber geht es im richtigen Beruf weiter.“ Markus Löwer weiß, dass es schwerer ist, Leute zum Lachen als zum Weinen zu bringen und die Grenze zum Klamauk umschifft werden muss. Doch er ist zuversichtlich, den richtigen Ton angeschlagen zu haben und ist voll des Lobes auf seine Schauspieler: „Mathias Iffert und Mario Neubert schaffen es ganz großartig, die Charaktere mit Leben zu füllen, und es reichen Versatzstücke, um klar zu machen, in welche Figur sie gerade schlüpfen.“

Für den Darsteller Mario Neubert ist es vor allem das menschliche Miteinander, das für ihn das Spiel in einem Amateurtheater so reizvoll macht. „Es geht hier immer um das Gesamtprojekt und nicht darum, dass Einzelne hervorstechen“, so der gebürtige Erzgebirgler, der an der Universität Potsdam Hispanistik studierte und mit einer Spanisch sprechenden Theatergruppe durch Schulen „tingelte“. Inzwischen ist er Gymnasiallehrer, hat sich aber gegen den Schuldienst entschieden, weil dort durch Leistungsdruck und Systemzwang die menschliche Ebene auf der Strecke bleibe, wie er betont. Nun wirkt er freiberuflich bei diversen Projekten als Dozent und pädagogischer Mitarbeiter mit und steht seit drei Jahren immer mal wieder auf den wackligen Bühnenplanken des Theaterschiffs. In „Fast Faust“ darf der ernst wirkende Mime auch seine heitere Seite hervorkehren. Denn nur so lässt sich wohl die „Gretchenfrage“ in diesem komplexen theatralen Unterfangen beantworten. Heidi Jäger

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