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Postdamer Neueste Nachrichten vom 27.04.2011 zu König Ödipus

Schicksalsfrage

von Heidi Jäger

Mathias Iffert bringt heute auf dem Theaterschiff „König Ödipus“ zur Premiere: Eine entstaubte Neudichtung mit Musik

Es wird nichts ausgespart. Nicht die Prophezeiung des Orakels, die König Laios dazu animiert, seinen neugeborenen Sohn zu töten. Nicht dessen unerwartete Rettung durch zwei Hirten und die Adoption durch ein anderes Königspaar. Auch nicht der Mord des einst Ausgesetzten an dem unerkannten Vater und die Ehe mit der eigenen Mutter. Und das Ende ist ebenfalls so bitter wie bei Sophokles: wenn der vom Schicksal gebeutelte Ödipus als blinder Bettler seine Heimat Theben verlässt.

Kann man seinem Schicksal entfliehen? Um diese Frage geht es auch in Bodo Wartkes Adaption auf „König Ödipus“ von Sophokles, die am heutigen Mittwoch am Theaterschiff Premiere hat. Doch der Musikkabarettist setzte seiner gestrafften Stückversion noch einiges hinzu: Komik, Rasanz, geschliffene Reime und Musik. Die 14-köpfige Personage wird dabei von einem Schauspieler ganz allein gestemmt. Im Fall des Theaterschiffs von dem 21-jährigen Marcus Löwer. Er ist Erzähler und zugleich das Orakel, Mutter Iokaste, Vater Laios ... Immer in wechselnden Stimmen und Körperhaltungen. Er war es auch, der mit dem Textbuch in der Hand begeistert auf Mathias Iffert zukam und ihn bat, die Regiezügel für seinen Parforce-Ritt durch die ins Heute zielende Welt der Antike zu übernehmen.

„Es ist für uns beide eine interessante Zusammenarbeit: Marcus, der nur halb so alt ist wie ich, hat den jugendlichen Blick auf den Text und ich bin eher der Theatertraditionalist“, sagt Mathias Iffert. Gerade kommt er mit schwerer Tasche angehetzt, um noch schnell über seine Inszenierung zu sprechen. Dann eilt er schon wieder aufs Theaterschiff. Selbst Ostern wurde durchgeprobt. Da blieb wenig Zeit zum Nestbauen für den dreijährigen Sohn.

Mathias Iffert kennt den „Ödipus“-Text bestens aus seiner Zeit als Deutschlehrer, als er noch an der Sportschule Potsdam unterrichtete, nachdem er selbst sportlich aktiv war und es als Volleyballer immerhin bis in die Bezirksliga schaffte. Bis ganz nach oben reichte es nicht, so wie auch seine Schüler nicht alle ihren Traum vom Weltmeister und Olympiasieger einlösen konnten. „Doch wenn so ein Wunsch nicht in Erfüllung geht, ist es wichtig, etwas anderes für sich zu finden“, sagte sich der ambitionierte Lehrer und erweiterte das Profil seiner Schule um den Bereich Darstellendes Spiel. Er stand auch selbst auf der Bühne. „Denn wenn ich es meinen Schülern zumute, aufzutreten, muss ich ja wissen, wie es ihnen dabei geht.“ Oft reichen ihm zwei Minuten Verwandlung, um alles andere abzuschütteln. „Für mich ist Theater ein Ausgleich wie für andere das Joggen.“

Inzwischen begleitet Mathias Iffert hauptberuflich Lehramts-Absolventen durch ihre Referendariatszeit. Er ist Leiter des Studienseminars Potsdam am Landesinstitut für Lehrerbildung Brandenburg. „Das ist viel Verantwortung, macht aber auch Spaß.“ Er möchte durch seine Arbeit helfen, die Schule zu modernisieren und den Unterricht nach vorne zu bringen. So wie er auch in der Freizeit auf dem Theaterschiff um Erneuerung kämpft und dabei auf seine Stärke eines „ergebnisorientierten, transparenten und kooperativen Arbeitsstils“ setzt.

Mathias Iffert, bislang von der Bühne des Theaterschiffs als Schauspieler bekannt, ist derzeit nicht nur mit seinem Regie-Erstling gefordert, sondern auch als neuer Vereinsvorsitzender des Theaterschiffs. Auf dem bläst gerade ein recht frischer Wind. Schließlich soll der Kahn ins richtige Fahrwasser zwischen gut gemachter Unterhaltung und anspruchsvoller Dramatik gebracht werden, an Experimenten nicht vorbei schlingernd. „Das ist absolut risikoreich“, sagte der eher zurückhaltende Theatermann. „Aber wir glauben fest daran, dass es ein Publikum gibt, das uns entdeckt oder wiederentdeckt.“ In den vergangenen zwei Jahren gab es eine Überkonzentration an Comedy und leichter Kost, befand die Mehrheit im Verein. Sie will das Comedy-Publikum auch weiter gut bedienen, nunmehr aber auf eine gute Mischung setzen. Das neue Zauberwort heißt Qualität. Dafür wurde auch die Theaterfrau Martina König an Bord geholt, die als Künstlerische Leiterin mit um neue Maßstäbe in dem 40-köpfigen Verein ringt. „Sie steht für Professionalität,“ so Mathias Iffert. Er verweist schon mal auf die Premiere von „34,5 Zentimeter neben dem Glück“ Ende August, in der Martina König über das Thema Krieg aus ganz anderer Perspektive erzählt: „Sie schaut in deutsche Familien, wenn der Soldat nicht zurückkommt.“

„Spiel’s noch mal Sam“, eine Woody Allen-Komödie, die Ende Juni Premiere hat, zielt zuvor auf beste Unterhaltung und nicht nur auf den schnellen Lacher. Und auch auf Stars wird gesetzt, um den Kahn mit einem Zuschauerkreis quer durch die Generationen zu füllen. Der Schauspieler Jörg Schüttauf wird lesen sowie Hans-Jochen Röhrig gemeinsam mit Andrea Meissner.Und auch Jutta Wachowiak ist im Gespräch. Dabei ist die Gesamtförderung des Theaterschiffs geringer als im Vorjahr. „Aber ich bin Lobbyist in eigener Sache und kann mir nicht vorstellen, dass wir das Boot nicht in Fahrt bekommen.“ Das will der Verein im kommenden Jahr wörtlich nehmen und zum „Friedrich300“-Jahr auf fahrbarer Bühne mit einer Potsdam-Revue auftrumpfen. Natürlich in der Hoffnung auf Landeszuschüsse.

Wo künftig der Heimathafen sein wird, ist derzeit noch nicht ausgefochten. Dass es bald nicht mehr am angestammten Platz an der Alten Fahrt ist, steht außer Frage, denn dort muss für den Palast Barbarina Baufreiheit geschaffen werden. Bis vor kurzem war die Schiffbauergasse als Ausweich im Gespräch und der Verein stimmte trotz unterschiedlicher Auffassung seiner Mitglieder zu. „Doch bei einer Diskussion im Kulturausschuss wurde uns klar, dass das ganze Thema noch nicht ausgegoren ist und die Stadt sich noch im Prüfungsverfahren befindet. Die Konkurrenz-Schutz-Klausel zur ,John Barnett’ kannten wir vorher nicht, und auch ein Boarding-Haus kommt für uns nicht in Frage.“ Denn natürlich soll auf dem Theaterschiff auch künftig ausgelassen getanzt werden dürfen. „Wir brauchen einen Standort, der gut zu erreichen ist und über eine gute Infrastruktur verfügt. Das kann auch gegenüber der Weißen Flotte sein“, wenige Hundert Meter vom jetzigen Liegeplatz entfernt.

Der Vereinschef ist jedenfalls froh, dass bei allen Unwägbarkeiten nicht diskutiert wird: Theaterschiff ja oder nein, sondern nur wohin. Und dafür sollte das Schicksal wohl das richtige Augenmaß haben.

Premiere heute um 20 Uhr, Theaterschiff, Am Alten Markt 9


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